Kindergarten Spiegelau setzt auf Tablets
Viele Eltern fragen sich, wie viel Zeit ihre Kinder am Tablet und Computer oder vor dem Fernseher verbringen dürfen. Und welche Programme, Spiele und Apps empfehlenswert sind. Der Spiegelauer Kindergarten versucht seit September 2018 Antworten auf Fragen zur kindgerechten Mediennutzung zu finden. Die Einrichtung macht mit beim Modellversuch „Medienkompetenz in der Frühpädagogik stärken“. Zusammen mit Mediencoaches erarbeiten die 100 teilnehmenden bayerischen Kindertageseinrichtungen Konzepte für einen sinnvollen Medieneinsatz. Später sollen die Erkenntnisse aus dem vom Bayerischen Familienministerium geförderten Modellversuch allen Kindertageseinrichtungen in Freistaat zur Verfügung stehen. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP).
Edith Döringer, die Leiterin des Spiegelauer Caritas-Kindergartens St. Johannes der Täufer, hat dem Technologie Campus Grafenau die wichtigsten Fragen beantwortet.
(Technologie Campus Grafenau) Frau Döringer, Tablets und Apps im Kindergarten: Muss das wirklich sein? Soll der Kindergarten nicht ein medienfreier Rückzugsort bleiben?
(Edith Döringer) Man kommt dem Digitalen nicht mehr aus. Zum Leben der Kinder gehören heute digitale Medien dazu. Die Kleinen sollen deshalb schon früh erfahren, wie man mit dem Tablet richtig umgeht. Dabei ist es wichtig, dass sie einen guten und kreativen Umgang lernen und nicht nur passiv konsumieren.
Wie sind Sie auf den Modellversuch aufmerksam geworden?
Unser Träger, der Caritas-Verband, hat uns informiert. Mir persönlich war es wichtig, dass wir nur dann mitmachen, wenn das ganze Team mitzieht. Die Teilnahme ist ein Gewinn für alle. Sowohl für die Kinder, als auch für das gesamte Team.
Wie sieht die digitale Ausstattung des Kindergartens aus?
Das Staatsinstitut für Frühpädagogik hat alle teilnehmenden Kindergärten mit Tablets ausgestattet. Die Anzahl der Geräte hing von der jeweiligen Größe der Einrichtung ab. Spiegelau bekam drei Tablets. Alle zentral bespielt mit kindgerechten Apps.
Unterstützung bekommt der Kindergarten von einem Mediencoach. Welche Aufgaben übernimmt dieser?
Die Mediencoaches haben entweder einen sozial-pädagogischen Hintergrund oder ein medientechnisches Studium absolviert. Wie häufig ein Coach seine ihm zugeteilte Einrichtung besucht, hängt von den einzelnen Projekten und dem individuellen Bedarf ab. Für Spiegelau kommt der Mediencoach aus München von SIN, dem Studio im Netz, einer medienpädagogischen Facheinrichtung. Er begleitet den Kindergarten bei Projekt-Aktivitäten, unterstützt bei Elternabenden und berät im sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Medien. Zudem führt der Mediencoach Inhouse-Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen des Kindergartens durch. Und ganz wichtig: der Experte erarbeitet gemeinsam mit dem Kindergarten-Team ein einrichtungsspezifisches Medienkonzept.
Kommen die Tablets denn jeden Tag zum Einsatz?
Das Kindergarten-Team setzt die Tablets nicht jeden Tag ein. Wenn es sich irgendwie ergibt, nehmen wir sie her. Am häufigsten zu Recherchezwecken oder zur Dokumentation von Fotos, Filmen und Audioaufnahmen, die von und mit den Kindern erstellt werden. Im Vordergrund stehen auf jeden Fall nicht die Apps, sondern das Erlernen eines guten und kreativen Umgangs mit den Tablets.
Hauptsächlich verwenden wir die Tablets im Regelkinderbereich, also bei den Kindern ab dem dritten Lebensjahr. Die Krippenkinder kommen damit kaum in Berührung. Wer das Tablet nutzen will, trägt sich in eine Liste ein. Die Medienzeit im Kindergarten beträgt pro Kind zehn Minuten und gilt für die Zeit, in der sich die Kinder mit den Lern-Apps beschäftigen. So lernen die Kinder, dass es Nutzungszeiten gibt, die es einzuhalten gilt. Sitzt jemand am Tablet, ist immer eine Mitarbeiterin am Tisch, um die Mediennutzung zu begleiten.
Sie sprachen gerade von Nutzungszeiten. Gibt es da Empfehlungen für Eltern?
Wie lange Nutzungs- bzw. Medienzeiten sein dürfen, ist nicht so einfach zu beantworten. Auch das Fernsehen zuhause zählt zur täglichen Medienzeit. Oder, wenn das Kind einem anderen Kind beim Tablet-Spielen zuschaut. Im Kindergarten haben die Kinder schnell verstanden, dass ihre Nutzungszeiten in diesem Fall entsprechend kürzer ausfallen, wenn sie das machen. Generell kann man sagen, dass der Medienkonsum für Kindergartenkinder pro Tag maximal 30 Minuten betragen sollte. Dazu zählen alle Bildschirm-Geräte, also Fernseher, Tablet, Smartphone und PC.
Haben Sie seit Projektbeginn Veränderungen im Nutzungsverhalten der Kinder wahrgenommen?
In der letzten Zeit ist mir stark aufgefallen, dass die Kinder die Tablets bei uns in der Einrichtung nicht mehr als Spielzeug verwenden, sondern als Werkzeug. Dadurch sind die Tablets längst nicht mehr so interessant wie zu Beginn des Modellversuchs. Bei den letzten Landesnetzwerktagen Anfang Februar haben dies übrigens auch viele andere Einrichtungen so bestätigt.
Können Sie den Eltern ein paar Tipps geben?
Das Kindergarten-Team vermeidet die Omnipräsenz der Tablets in den Räumen. So verstehen die Kinder, dass es auch ohne digitale Geräte im Alltag geht. Die Eltern sollten darauf achten, dass sie das Tablet nicht als Belohnung einsetzen. Es sollte kein Mittel zur Erziehung sein. Denn nutzt man es als Belohnung oder Bestrafung, erzielt man genau das Gegenteil: Das Tablet wird umso attraktiver. Bei den Bildschirmzeiten sollten Eltern stets darauf achten, altersentsprechende Grenzen zu setzen. Beim Zubettgehen unbedingt eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen und keinesfalls dem Kind ein Tablet oder Smartphone in die Hand geben. Digitale Geräte wühlen die Kinder zu sehr auf und lassen sie schlecht ein- bzw. durchschlafen. Und zu guter Letzt: Die Eltern sollten sich vielleicht Gedanken machen, wie sie die digitalen Medien mit den Kindern zusammen kreativ nutzen können. Das Tablet sollte nicht immer nur zum Ansehen von Filmen genutzt werden, sondern vielmehr, um damit etwas gemeinsam zu gestalten.